Leserbrief: Die IHK hat ja gar kein A39-Gutachten
Hallo,
besser als Carlo Eggeling mit seiner feinen Ironie hätte man den Artikel der Lüneburger Landeszeitung über das am Freitag von der IHK präsentierte Pro-A-39-Gutachten wahrlich nicht betiteln können – nämlich mit „Blühende Landschaften„. Anstelle dieser Remineszens an die hohlen Kanzler-Kohl-Ost-Versprechungen hätte man allenfalls noch an das Andersen-Märchen „Des Kaisers neue Kleider“ erinnern können – dabei anstelle der treffenden Bemerkung „Der Kaiser hat ja gar nichts an!“ mit der Anmerkung „Die IHK hat ja gar kein Gutachten!“
Denn die am Freitag präsentierte Ausarbeitung des Schweizer Progtrans-Instituts „zur Wirtschaftlichkeit und den regionalwirtschaftlichen Potenzialen“ der A 39 bewegt sich leider auf dem Niveau der bisherigen bunten PR-Broschüren und Plakate der IHK. Viele IHK-Zwangsbeitragszahler würden, wenn sie es denn lesen würden, zu Recht sauer sein über die Ver(sch)wendung abermals Zehntausender Euros. Schwer nachvollziehbar, dass jemand wirklich ein 3/4 Jahr lang daran gearbeitet haben soll.
Dieses „Argumentarium“ (so heißt es wirklich!) enthält zwar allerlei Karten, Zahlen und Tabellen zum Raum zwischen Lüneburg und Wolfsburg, zu Demographie, Entfernungen, Fahrtzeiten, IHK-Mitgliedsunternehmen und nicht genutzten Gewerbegebieten – aber keinerlei wirkliche Argumente für den Bau der geplanten A 39. Ganz im Gegenteil.
Denn dass das kontinuierlich sinkende Nutzen-Kosten-Verhältnis (NKV) mittlerweile sogar unter dem einsam schlechten Wert von 1,9 liegen dürfte, wird zwar nicht bestritten – aber schöngeredet damit, dass 1,9 doch immerhin doch noch mehr sei als 1,0. Tatsächlich kein Wort dazu, dass auf Bundesebene die „Abschneidegrenze“ für finanzierte Verkehrsprojekte längst weit über 4,0 liegt. Da fühlte sich denn selbst die IHK-Spitze bemüßigt, einzugestehen, dass man angesichts dieses Nutzen-Kosten-Verhältnisses auf eine Verbesserung hoffe und man bei der Finanzierung im Wettbewerb mit anderen Verkehrsprojekten „dicke Bretter bohren“ müsse. Leider traute man sich (noch) nicht, auf das voraussichtlich um Dimensionen höhere Nutzen-Kosten-Verhältnis des von der Landesregierung alternativ angemeldeten B-4-Ausbaus zu verweisen.
Weil das vom Bund errechnete Nutzen-Kosten-Verhältnis ja gerade die entscheidende Kennziffer für die verkehrs-, volks- und regionalwirtschaftliche Rentabilität ist und auch für die Bedeutung der vielbehaupteten Hinterlandanbindung der Seehäfen, ist das miese NKV der A 39 eben auch der Ausdruck für die Sinnlosigkeit dieser von uns als „Nonsens- und Wahlkampf-Autobahn“ bezeichneten A 39. Schließlich und bezeichnenderweise erwähnt die Freie und Hansestadt Hamburg seit Jahren die A 39 kaum noch, wenn sie die aus ihrer Sicht notwendigen neuen Verkehrsprojekte aufführt.
Das „Gutachten“ verweist zwar auf die staatliche „Verkehrsuntersuchung Nord“ (VUNO), verschweigt aber systematisch, dass die VUNO den jetzigen „Hosenträger“ (aus A 39 zwischen Lüneburg und Wolfsburg , paralleler A 14 zwischen Schwerin und Magdeburg sowie verbindender Querspange B 190n) gar nicht weiter untersucht hat, weil diese Variante offensichtlich unsinnig sei. Kein Wort auch zu den bereits jetzt rückläufigen Verkehrszahlen auf der B 4.
Als angebliche Belege für die regionalwirtschaftlichen Effekte einer A 39 gibt es im „Gutachten“ denn auch nur dünne und eher peinliche Ausführungen über die nordthüringische A 38 und die A 20 (mit ihren weiterhin weitgehend leeren Gewerbegebieten). Bei der emsländischen A 31 müssen die Gutachter selbst zugeben, der Zusammenhang mit der „Regionalökonomie“ sei „bislang quantitativ oder qualitativ nicht verifiziert worden“. Das Standardwerk von Professor Gather zu den (nachweislich nicht vorhandenen) Regionaleffekten aller neuerlichen Autobahnen wird zwar im Literaturverzeichnis aufgeführt, aber im Text bezeichnenderweise nicht berücksichtigt.
Die „Gutachten“-Behauptung einer Entlastung der B4-Anwohner stößt sich nicht nur hart an den offiziellen Prognose-Zahlen selbst der A-39-Planer, sondern wirkt geradezu makaber angesichts der Tatsache, dass selbst die „Hard-Core-A39-Dogmatiker“ der Bodenteicher und Landes-CDU mittlerweile diese angeblich entlastende Funktion der A 39 über Bord werfen und (völlig zu Recht) eine Umgehungsstraße für Bad Bodenteich fordern (die ja zuvor durch die A-39 ebenso beiseite gedrängt worden war wie die dringend erforderlichen Umgehungen entlang der B 4).
Allerlei leere Worte im „Gutachten“ auch über erhoffte „Tourismus-Effekte“ einer A 39 – aber kein Wort über die Sorgen der Kurorte, die sich wie Bad Bevensen klar gegen die A 39 aussprechen. „Natürlich“ kein Wort auch über die Umwelt- und Naturzerstörung der A 39, über die Folgen für die Landwirtschaft durch Landverlust und Pachtpreisexplosion oder zu den Folgen für Lebensqualität, Gesundheit und Immobilienwerte der Anwohner.
Kurz und gut: Wir bewerten die von der IHK präsentierte Broschüre nicht einmal als „Gefälligkeits-Gutachten“, sondern allenfalls als „Gefälligkeits-Ausarbeitung“. Schade um das Geld, schade um die verpasste Chance einer wirklich faktenbasierten Auseinandersetzung mit der A-39-Gegnern, die ihre Argumente ja mit wirklichen Gutachten renommierter Experten untermauern.
„Blühende Landschaften“ durch die A-39-Ideologen wird es nicht geben – nur eine Verzögerung des dringend notwendigen Ausbaus vorhandener Verkehrswege (deren Realisierung bisher noch von der perspektivlosen und unfinanzierten A 39 gehemmt wird) sowie eine Kaschierung regionalpolitischer Ideenlosigkeit durch A-39-Propaganda…
Viele gute Gründe also, die mehrheitlich von den Bürgerinnen und Bürgern unterstützte Bewegung „Keine A 39“ noch stärker zu machen.
Mit freundlichen Grüßen
Landesverband Bürgerinitiativen Umweltschutz Niedersachsen e.V.
Vertreter der Region Ostheide: Eckehard Niemann, Varendorfer Str. 24, 29553 Bienenbüttel