Bahnstrecke Wittingen-Wolfsburg – Ein Lückenschluss mit Zukunftspotential in Gefahr

Wittingen OHE-Bahntrasse
OHE-Bahntrasse

Die Niedersächsische Landesanstalt für Straßenbau und Verkehr (NLStbV) hat die

Freistellung von Bahnbetriebszwecken am 15.01.2016 getroffen. Maßgebliche

Begründung für diesen Beschluss ist die Regelung gemäß § 23 AEG (Allgemeines

Eisenbahngesetz), die eine Freistellung von den Bahnbetriebszwecken zulässt, wenn

kein Verkehrsbedürfnis mehr besteht und langfristig eine Nutzung der Infrastruktur im

Rahmen der Zweckbestimmung nicht mehr zu erwarten ist. Vom VCD und dem

Förderverein wurde argumentiert, das langfristige Verkehrsbedürfnis an der in der

Diskussion sich befindenden Stadtbahn von Wolfsburg mit einer Weiterführung in

den nördlichen Bereich und einer Anbindung an die Ohretalbahn in Rühen

nachzuweisen. Entgegen mancher Darstellung von Politikern aus der Region steht

die parteiübergreifend im Rat von Wolfsburg aus dem Jahr 2013 beschlossene

Studie zur Stadtbahn weiterhin auf der Agenda der Stadt (Auskunft Dienststelle

Straßenbau und Projektkoordination). Aufgrund der angespannten Haushaltslage

(Dieselaffaire bei VW) sind allerdings für das Jahr 2016 dafür keine Haushaltsmittel

vorgesehen.

Weiterhin hatte sich der Kreistag des Landkreises Gifhorn, der ZGB, die WOB AG

und das Amt für Regionale Entwicklung für den Erhalt der Strecke ausgesprochen.

Nach Rückfrage begründete unter anderem der ZGB in seiner Stellungnahme den

Erhalt der Strecke mit der Aussage, diese im Nahverkehrsplan (NVP) zu behandeln.

Der Nahverkehrsplan ist ein Instrument, den ÖPNV für einen Prognosehorizont von 5

Jahren verwaltungstechnisch zu behandeln. Der VCD und der Förderverein hatten

ebenfalls einen entsprechenden Antrag für den NVP mit folgendem Wortlaut gestellt:

Aufnahme der OHE-Strecke Wittingen bis Rühen mit Weiterführung nach Wolfsburg.

Folgende Gesichtspunkte sind für die langfristige Inbetriebnahme der Strecke

bedeutend:

  • Pendlerverkehre mit über 20.000 Bewegungen pro Tag in das VW-Werk
  • Anbindung des strukturschwachen Raumes an das Oberzentrum WOB
  • Anbindung von Verkehrsströmen aus Sachsen-Anhalt in den Bereich des ZGB
  • Gewährleistung der Mobilität für die alternde Bevölkerung im

    strukturschwachen Raum nördlich von WOB

  • Erschließung des touristisch bedeutsamen Raumes des Drömlings und des

    östlichen Landkreises Gifhorn

  • bedeutsame Nebeneffekte außerhalb des NVP wie wirtschaftliche Entwicklung

    der Region,

  • Hinterlandanbindung des Wittinger Hafens und Aufnahme des

    Schwerlastverkehrs der Glunz AG in Nettgau mit über 400 LKW sind zu

    erwarten

  • Der Schülerverkehr im östlichen Landkreis Gifhorn könnte übernommen

    werden

  • Die Bahnstrecke ist eine Mobilitätsachse, über die der ÖPNV in dem Umfeld

    der Trasse gebündelt werden kann.

  • Die Bahnstrecke ist ökologisch, klimafreundlich und sozial
  • eine zukunftsfähige attraktive Mobilitätslösung und bringt den Umweltverbund voran

Ohne den Verfasser der Stellungnahme zu informieren, wurde diese Eingabe nach einer Beratung im Ausschuss für Regionalverkehr mit der Begründung verworfen: Im NVP-Entwurf sind ausschließlich Maßnahmen für Eisenbahnstrecken bzw. Wettbewerbsnetze aufgeführt, die heute befahren werden und für deren Verkehrsangebote Finanzmittel bereitgestellt werden. Die OHE-Strecke Wittingen – Rühen ist keinem Wettbewerbsnetz zugeordnet.

Bei der Aufstellung des Nahverkehrsplanes hatten sich neben dem Flecken Brome über die

Samtgemeinde Brome auch der Deutsche Bahnkundenverband (DBV), die

Arbeitsgemeinschaft Verkehr aus Wolfsburg für die Aufnahme ausgesprochen.

Aus dem Ausschuss für Regionalverkehr erhielt man noch die Einschätzung, dass

man in dem Verkehrsmodell von Prof. Wermuth (vom ZGB für

Verkehrsuntersuchungen beauftragt) im Korridor Wolfsburg-Brome-Wittingen nur mit

8000 potenziellen Pendlern und am Tag rechnet, wobei dann höchstens 1000

Fahrgäste tatsächlich die Bahn nutzen. Man findet aber im gültigen NVP die Angabe,

dass insgesamt 22000 Personenfahrten allein auf dem Abschnitt Wittingen Brome zu

verzeichnen sind. Es ist deshalb nicht nachvollziehbar, dass diese Zahlen nach

Aussage des ZGB für einen wirtschaftlichen Betrieb der Strecke zu gering sind.

Ergänzend dazu besagt auch eine Graphik des Amtes für Stadtentwicklung von

Wolfsburg, dass aus dem nördlichen Sektor 27 000 Pendler zu verzeichnen sind. Aus

dem Ausschuss für Regionalverkehr wurde ergänzend berichtet, dass eine

Aufnahme in den NVP darüber hinaus beinhaltet hätte, dass man in einem Zeitraum

von 5 Jahren (Geltungsdauer des NVP) konkrete Schritte zur Wiederbelebung der

Bahn hätte vornehmen müssen. Die möglicherweise folgenden juristischen

Konsequenzen von der Seite der OHE bei einer nicht vorweisbaren wirksamen

Einleitung von Handlungsschritten des ZGB für eine Wiederbelebung wären deshalb

nicht tragbar gewesen. Dass der Ablehnungsgrund anzuzweifeln ist, erkennt man

daran, dass viele Eingaben hinsichtlich von Personenfahrten für den NVP vom ZGB

mit dem Vermerk einer zugesagten Prüfung kommentiert wurden. Zumindest diese

Verfahrensweise hätte man im Fall der Ohretalbahn auch einschlagen können und

zusätzlich den Hinweis auf Aufnahme in das zukünftige SPNV-Konzept 2030 als

längerfristiges Planungsinstrument geben können.

Als Kritik muss man ferner vorbringen, dass das zugrunde liegende Zahlenmaterial

der Untersuchung Wermuth hinsichtlich der Einpendler nach Wolfsburg auf das Jahr

2010 sich bezieht und in der Zwischenzeit bei weitem übertroffen wird. An vielen

Stellen der Eingaben zum NVP, auch von der Stadt Wolfsburg, wird dieser Einwand

erhoben. Zusätzlich sind die Pendler aus Sachsen-Anhalt offensichtlich nicht richtig

berücksichtigt. Ferner wird sich die Zahl der Fahrgäste deutlich erhöhen, wenn man

die Bahnverbindung als eine Mobilitätsachse betrachtet, für die verschiedene

Zubringerverkehre mit Bussen, Elektrofahrrädern und motorisiertem Individualverkehr

möglich sind. Für diesen in der Zukunft sich einstellenden Fall muss die wirksame

Breite des Korridors und damit die Fahrgäste deutlich größer angesetzt werden.

Der Nahverkehrsplan trat am 01.01.2016 in Kraft. Die OHE-Strecke wurde darin nicht

erwähnt. Genau dieser Fakt wurde von der NLStbV dazu herangezogen, dass

fehlende Verkehrsbedürfnis zu folgern (Leiter Dezernat 33 NLStbV Hannover

Planfeststellung Herrn Rockitt). Die Führung des ZGB hatte in der Rückschau des

Verfahrens wenig Neigung, Schritte zum Erhalt der Ohretalbahn mitzutragen. Der

Beschluss im Verwaltungsausschuss zum Erhalt der Bahn wurde gegen den

erklärten Willen des Verbandsdirektors, Herrn Brandes, gefasst. Bei Gesprächen mit

Frau Hahn, 1. Verbandsrätin und bei der Konferenz mit dem Landrat Dr. Ebel (ZGB-

Teilnehmer Herr Dr. Wolff Nahverkehrsplanung) kam diese Haltung deutlich zum

Ausdruck mit der Begründung, dass ökonomische Aspekte einer Wiederbelebung der

Bahn entgegenstehen.

Einige Mitglieder des Ausschusses für Regionalverkehr äußern deshalb ihren Unmut

gegenüber der Verwaltung im ZGB dahingehend, dass hier ein abgekartetes Spiel

gegenüber den für den Erhalt der Bahnstrecke eintretenden Politikern im Ausschuss

vorliegt mit der Zielrichtung, doch die ablehnende Haltung der Verwaltung zum

Durchbruch zu verhelfen. Dem Ausschuss war die Folge dieser Entscheidung nicht

bewusst, die zu einer für alle Zeiten unwiederbringlichen Aufgabe der Bahn führt. Die

NLStbV spricht die Freistellung von bahnbetrieblichen Zwecken aus, weil das

fehlende Verkehrsbedürfnis gemäß § 23 AEG durch eine Streichung der Ohretalbahn

im Nahverkehrsplan sich manifestiert. Mit diesem Vorgehen wurden die Beschlüsse

des Kreistages des Landkreis Gifhorn, des Verbandsauschusses des ZGB, des

Amtes für Regionale Entwicklung, der WOB-AG und die Empfehlungen von Politikern

aus der Stadt Wolfsburgs einschließlich des Oberbürgermeisters ausgehebelt und

den Anliegerkommunen steht nun der Weg offen, die Flächen für bahnfremde

Zwecke zu überplanen. Wenn man bedenkt, dass der Initiator dieses Vorgehens, die

Gemeinde Rühen, mit diesen Flächen Seniorenwohnungen (Baugebiet Koleitsche)

erstellen will, so kann man von einer wenig zukunftsfähigen Handlungsweise

sprechen. Der Vollständigkeit muss hier noch erwähnt werden, dass zwischenzeitlich

die Gemeinde Rühen für das Baugebiet Koleitsche einen Plan vorgelegt hatte, der

die Bahnflächen nicht mehr enthielt. Möglicherweise wird dieser Plan aufgrund der

neuen Beschlusslage wiederum abgeändert.

Auf den Punkt gebracht, kann man feststellen, die Bahn wird für den Bau von

Seniorenheimen geopfert, Landie dwirte an der Strecke werden für Bearbeitung der

anliegenden Felder nicht mehr beim Pflügen behindert und die Gemeinden können

ihren Hunger nach Siedlungsflächen befriedigen. Die Hauptinvestoren der OHE, die

Italienische Staatsbahn und ein Infrastrukturfond (Cube Infrastructure Fund

Luxemburg) verwirklichen ihr Anliegen, die Investitionsrendite auf Kosten der Region

zu steigern, der zukünftig ein attraktives Verkehrsmittel für den

Umweltverkehrsverbund fehlen wird. Ferner besteht in den Bahntrassen eine

Möglichkeit, diese für Schnellbuslinien oder Fahrradwege zu verwenden.

Man kann es kaum glauben, dass die Öffentlichkeit diese wenig in die Zukunft

blickenden und nicht wieder gutzumachenden Beschlüsse ohne Widerspruch

akzeptiert. Die Politiker benutzen die frei werdenden Flächen, um ihre Klientel mit

Geschenken zu bedienen, um ihre Wiederwahl im kommenden Herbst zu sichern.

Manfred Michel

Vorsitzender Verkehrsclub Deutschland (VCD) Ortsgruppe Gifhorn und

1. Vorsitzender Förderverein Ohretalbahn e.V.

Denkmalstraße 10

38518 Gifhorn