Geplanter Sandabbau in Ehra ohne Bürgerbeteiligung?
Geplanter Sandabbau in Ehra ohne Bürgerbeteiligung?
Nicht voreilig Fakten schaffen – sondern FAKTEN auf den Tisch legen!
Bevor möglicherweise ohne Raumordnungsverfahren – und somit ohne Beteiligung der betroffenen Bevölkerung! – über ein Sandabbaugebiet 250 Meter nördlich von Ehra entschieden wird, sollten erst mal alle Fakten auf dem Tisch liegen. Denn Einsprüche der Bürger gegen die Sandentnahme haben nichts mit dem Planfeststellungsverfahren der Autobahn zu tun und können später auch nicht mehr vorgebracht werden.
FAKT ist zum Beispiel, dass nicht nur die nahe Brisein-Siedlung in Ehra mit Beginn des Sandabbaus unter besonderer Lärm- und Staubbelastung zu leiden hätte – sondern praktisch der ganze Ort in seinen Grundrechten auf Erholung, Wohnen und Gesundheit über mindestens fünf Jahre stark eingeschränkt wäre. Weil nämlich die 40-Tonner tatsächlich durch das Dorf und über die B 248 entlang der ganzen Trasse donnern würden.
Herr Peuke vom Straßenbauamt Wolfenbüttel bestätigte gestern wortwörtlich: »Dazu sind Straßen ja gedacht, um den naheliegenden Verkehr aufzunehmen.«
FAKT ist aus seiner Sicht: Baustraßen kosten nur wieder noch mehr Geld…
FAKT ist aus unserer Sicht: Man würde mit Baustraßen nur noch mehr Flächen versiegeln und diese damit der landwirtschaftlichen Nutzung entziehen.
Wenn man schon nicht den Bau der Autobahn und dessen Nutzen grundsätzlich infrage stellen mag, so wie wir das tun, sollte man sich als betroffener Bürger deshalb zumindest die Frage stellen: Warum holen sich die Autobahnbauer ihren Sand eigentlich nicht vom Truppenübungsplatz in Lessien? Ende Juni gibt die Bundeswehr diesen Standort auf – und damit werden 1600 Hektar bundeseigener Sandboden zur weiteren Verwendung frei, die bislang noch völlig unveräußert sind, wie wir uns heute erkundigt haben…
FAKT ist: Gestern demonstrierte bei einer offiziellen »Antragskonferenz zur Klärung der Erforderlichkeit eines Raumordnungsverfahrens« ein Landkreis-Vertreter seine Unwissenheit, indem er steif und fest behauptete: Der Truppenübungsplatz sei für die Sandentnahme tabu, aufgrund seiner »Kontaminierung mit Kampfmitteln«.
Wir haben uns sowohl bei der Bundesanstalt für Immobilienaufgaben (seit 2011 Eigentümerin der Fläche) als auch bei der Bundeswehr (aktuell Pächterin und Nutzerin) bei den jeweils zuständigen Personen versichert, dass diese Aussage der Realität entbehrt: Die Kontaminierung beträfe nur einen »verschwindend geringen Teil der Fläche« und es sei in Lessien anzunehmender Weise genug Sand für den Autobahnbau vorhanden. Es habe nur noch nie jemand danach gefragt oder überhaupt mal Bodenproben gemacht…
FAKT ist außerdem, dass ein Kubikmeter Sand (reine Materialkosten) im Gifhorner Baugroßhandel 18 Euro kostet. So gerechnet wären 900.000 m3 Sand, die allein in Ehra abgebaut werden sollen, 16,2 Millionen Euro wert… Aber dieser Sand reicht nicht mal annährend, für die Abschnitte sechs und sieben, die in Reichweite des Truppenübungsplatzes liegen! Es werden weitere, private Sandvorkommen ausgebeutet werden müssen. Insgesamt könnte der Bund jedoch eine hohe zweistellige Millionensumme einsparen, wenn beim Autobahnbau der »bundeseigene Sand« aus Lessien verwendet würde.
Wir werden diese Angelegenheit umgehend an den Bundesrechnungshof weiterleiten.
Natur- und Gewässerschutz: Fakt ist, dass ein Sandabbau bis zu 50 Zentimeter an das Grundwasser heran geplant ist. Das Landesamt für Bergbau in Hannover gibt jedoch die grundsätzliche Empfehlung ab, zwei Meter Distanz zum Grundwasser einzuhalten.
Fakt ist, dass bisher auch noch niemand im Detail sagen möchte, was hinterher mit einer Grube passiert, die im schlimmsten Fall sieben Meter tief sein soll.
Fakt ist, dass die Grube nicht verfüllt werden wird. Es sei zu teuer, die beim Autobahnbau gewonnene Muttererde gegen den abgebauten Sand auszutauschen – weil man das Füllmaterial nach gesetzlicher Vorgabe zuvor aufwendig untersuchen müsste.
FAKT ist, dass damit entlang der Autobahn bei ihrem Bau einige Millionen Kubikmeter Aushub anfallen, für den man auch erst mal eine Lagermöglichkeit finden muss – was anzunehmender Weise mit weiterem Landverbrauch einhergeht.
Fakt ist, dass die Firma Möbius-Bau aus Hamburg – sollte sie wie geplant den Sand abbauen – geäußert hat, man wollte das Areal auch nach der Sandentnahme behalten. Wozu? Was hat die Firma damit vor? Eine Antwort darauf hatte sie gestern nicht.
FAKT ist, dass das Unternehmen in seinen Unterlagen zur »Klärung der Erforderlichkeit eines Raumordnungsverfahrens« zwar angibt, der abgebaute Sand solle bei trockener Witterung befeuchtet werden, um die Staubemission zu mindern – aber gleichzeitig nicht sagen will, woher das Wasser dafür kommen soll und welche Mengen gebraucht würden.
Es ist davon auszugehen, dass sich hier die Interessen der Landwirtschaft bzw. des Ehraer Beregnungsverbandes nicht mit denen des Bauunternehmens decken, weil die Landwirte bei trockener Witterung ihr Wasserkontingent selber benötigen werden. Der Bauunternehmer müsste also mindestens einen eigenen Brunnen bohren…
FAKT ist, dass die Landwirte von der Firma Möbius deswegen ein Gutachten verlangen können, welches sie absichert, dass eine mögliche Grundwasserentnahme durch das Unternehmen ihre Brunnen nicht schädigt. Darauf sollte keinesfalls verzichtet werden.
FAKT ist, dass generell ein »Hydrogeologisches Gutachten der Wasserströme« angefordert werden sollte. Wobei es das eigentlich längst geben müsste! Denn der örtliche Wasserversorger wartet auch schon darauf, hatte die LSW doch selbst dieses Gutachten schon vor längerem in Auftrag gegeben, um das Trinkwassergewinnungsgebiet Ehra auch zum Wasserschutzgebiet zu machen. Dieser Vorgang scheint jedoch ins Stocken geraten zu sein… Weshalb? Sollten hier schon im Vorfeld Tatsachen geschaffen werden?
FAKT ist nämlich: In einem Wasserschutzgebiet dürfen keine Brunnen gebaut werden. Und somit könnte der abgebaute Sand auch nicht befeuchtet werden…
FAKT ist weiterhin: Als Resultat der gestrigen Antragskonferenz fordert das Gewerbeaufsichtsamt Gifhorn ein Schallgutachten. Das ist immerhin schon etwas!
FAKT ist auch, dass ein Teil der für den Sandabbau vorgesehenen Fläche jahrelang ökologisch bewirtschaftet wurde, und dass diese Art der Bewirtschaftung vom Niedersächsischen Umweltministerium sogar finanziell gefördert wurde. Grund war das Vorkommen seltener Acker-Wildkräuter, unter anderem des stark gefährdeten und mancherorts fast ausgestorbenen »Kahlen Ferkelkrauts«. Leider wurde auf diese Pflanzen nach einem Pächterwechsel dann keine Rücksicht mehr genommen. Dennoch kann es sein, dass im Boden noch Samen dieser seltenen Pflanzen schlummern. Dies muss mindestens geprüft werden, und im positiven Falle auch, wie selten diese Wildkräuter bei uns in der Gegend geworden sind – um sie ggf. erneut unter Schutz stellen zu lassen. Dafür macht sich bereits der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland stark und fordert aktuelle Kartierungen an.
FAKT ist, dass es zum jetzigen Zeitpunkt noch keine Garantie dafür gibt, ob und wann die Ortsumgehung Ehra gebaut wird – und ob es zeitgleich mit der A 39 sein wird. Sollte dies nicht der Fall sein, dann dauert das ganze Szenario auch deutlich länger als fünf Jahre und es müssten zudem vermutlich noch weitere Sandabbauflächen rund um Ehra gefunden werden – weil dann das aktuell geplante Kontingent längst aufgebraucht ist!
FAKT ist, dass auch andernorts nicht garantiert werden kann, dass alle Bauvorhaben des Bundes in die Tat umgesetzt werden können. Abgesehen von chronischer Finanzknappheit, hat die B 190 n – die Querspange – gute Aussichten, auf legalem Wege gestoppt zu werden. Was bedeuten würde, dass der ganze Verkehr aus dem Osten über Ehra liefe…
Quelle: Pressemitteilung der Bürgerinitiative „Natürlich Boldecker Land“
Autor: Anne-Kathrin Schulze • Am Dorfring 4 • D-38468 Ehra-Lessien